Sterbehilfe in Deutschland – Nicht nur in der Gesellschaft ein heikles Thema…

Es ist ein hochbrisantes Thema, moralisch und ethisch heiß diskutiert: die Sterbehilfe in Deutschland. Wir erklären alle rechtlichen Aspekte dazu, zeigen die historische Entwicklung auf und erklären das 2020 gefällte Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgericht – das nun vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden könnte.

Das Thema Tod ist generell nie ein leichtes. Geht es doch um das Ende des menschlichen Lebens – von einem selbst, einer nahestehenden Person oder eines Familienmitglieds. Dennoch gibt es tagtäglich in Deutschland Fälle, in denen Menschen am Ende ihres Lebens leiden. Sie leiden, weil es ihnen in Deutschland verwehrt ist, sollten sie nicht an lebenserhaltenden Maschinen angeschlossen sein, selbst über ihren Tod zu entscheiden. Wir sprechen hier über den Begriff der Sterbehilfe.

Die Sterbehilfe im Laufe der deutschen Geschichte

Die Diskussion über ein selbst bestimmtes Ende des Lebens ist bei weitem kein modernes Phänomen. Bereits seit dem 16. Jahrhundert wird die Sterbehilfe unter Medizinern beständig kontrovers diskutiert. Damals jedoch wird sie in der medizinischen Fachwelt noch anders genannt – nämlich curapalliativa, euthanasia palliativa oder auch euthanasia medica.

Vielleicht haben Sie beim Lesen des Begriffs „euthanasia“ auch sofort an das Dritte Reich und die dort praktizierte Euthanasie gedacht. Unverhohlen muss festgestellt werden, dass der Begriff Euthanasie durch die Machenschaften im Dritten Reich einen äußerst faden Beigeschmack erhalten hat. Nichtsdestotrotz hat dieser Begriff letztendlich seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet soviel wie „das schöne Sterben“. Heute würden wir es wohl als „Erleichterung des Sterbens“ oder auch „absichtliche Herbeiführung des Todes bei unheilbar Kranken“ interpretieren.

Angesichts hoher Sterblichkeitszahlen im 16. Jahrhundert stellt sich auf den ersten Blick die Frage, warum bereits zu dieser Zeit offen über Sterbehilfe diskutiert wurde. Dies wird erst dann verständlich, wenn man weiß, dass die hohe Sterblichkeit vor allem das Säuglings- und Kleinkindalter betraf. Hatte aber ein Mensch zur damaligen Zeit das Erwachsenenalter erreicht, hatte er gute Chancen durchaus 60 Jahre alt zu werden. Eine damals hohe Alterserwartung, die einherging mit möglichen schweren und oftmals unheilbaren Krankheiten. Hier können beispielsweise die damals weit verbreiteten Krankheiten Krebs, Schwindsucht oder Wassersucht genannt werden.

Litten Menschen an solchen Krankheiten, so waren sie teils erheblichen Qualen und Leiden ausgesetzt und konnten eigentlich nur auf ihren Tod warten. In Anbetracht dieser Tatsache, ist durchaus nachvollziehbar, warum bereits zu so früher Zeit in der deutschen Geschichte über Sterbehilfe nachgedacht wurde. Die Medizin nahm sich dieser Problematik an und versuchte das Leiden der Menschen zu reduzieren. Ziel war es, die Qualen der Sterbenden mit palliativen Mitteln zu lindern. Das mit Abstand wichtigste Palliativa dieser Epoche waren Opium und Laudanum. Sie linderten Schmerzen und Atemnot und verschafften so todkranken Menschen zumindest etwas Ruhe und Schlaf.

Gegen Ende des 19. Jahrhundert rückte die palliative Sterbehilfe wieder etwas in den Hintergrund. Grund hierfür war unter anderem der moderne Fortschritt innerhalb der Medizin. Der Fokus von Ärzten lag nun wieder in der wirksamen Bekämpfung solcher Krankheiten und der Behandlung der Patienten – am besten bis zur vollständigen Genesung. Trotzdem ging die Möglichkeit der ärztlichen Sterbehilfe nie ganz verloren. Vielmehr änderte sich die ärztliche Moralvorstellung in dieser Zeit. Wo früher die Ärzte nie freiwillig das Leben eines Patienten durch medikamentöse Behandlung vorsätzlich beendet hätten, so gab es ab 1800 erste Ärzte, die dieser Form der Sterbehilfe grundsätzlich nicht abgeneigt waren. So erklärte beispielsweise Carl G. Theodor Kortum als erster Arzt im Jahr 1800 öffentlich, es sei in bestimmten Fällen moralisch gerechtfertigt, das Leben eines Sterbenden mit einer erhöhten Dosis Opium zum Verlöschen zu bringen.[1]

Nichtsdestotrotz war die Sterbehilfe unter Medizinern und auch Rechtsgelehrten in Deutschland immer ein weitgehend rotes Tuch. Wo andere Staaten die Bedürfnisse solcher Menschen respektierten und Möglichkeiten der Sterbehilfe schufen, blieb Deutschland konservativ und verbot alle Formen der Sterbehilfe.

Die rechtlich unterschiedlichen Arten der Sterbehilfe

Aus rechtlicher Sicht ist Sterbehilfe nicht gleich Sterbehilfe. Dieser grundsätzlichen Unterscheidung sollten Sie sich bewusst werden. Grundsätzlich ist hier zwischen der sogenannten aktiven Sterbehilfe und dem Behandlungsabbruch zu unterscheiden.

Die aktive Sterbehilfe

Die aktive Sterbehilfe ist letztendlich die wohlrechtlich strafbarste Form der Sterbehilfe, wenn man es so nennen möchte. Hierbei handelt es sich um die gezielte Tötung eines Kranken, die dessen Leben zur Beendigung des Leidens verkürzt. De facto ist das dann im Grundsatz erst einmal nichts anderes als Totschlag und somit strafbar. Wird die Tötung des Kranken auf dessen ausdrückliches und ernstliches Verlangen vollführt, so kann im Rahmen von §216 StGB Strafmilderung eintreten. Dann liegt kein Totschlag nach §212 StGB mehr vor, sondern eine sogenannte Tötung auf Verlangen nach §216 StGB.

Hierbei muss besonders zum klassischen Suizid abgegrenzt werden. Der Suizid als Selbsttötung des Kranken durch sich selbst ist rechtlich straffrei. Folglich ist auch die Teilnahme eines Dritten an einer Selbsttötung des Kranken straffrei. Das bedeutet letztendlich, dass ein Dritter beispielsweise straffrei handelt, wenn er dem Kranken lediglich auf dessen Aufforderung das tödliche Medikament besorgt und dieser dann im Vollbesitzseiner geistigen Kräfte dieses Medikament selbst einnimmt und willentlich daran verstirbt.

Der Behandlungsabbruch (passive Sterbehilfe)

Neben der aktiven Sterbehilfe gibt es noch den Behandlungsabbruch. Dieser wurde früher auch salopp als passive Sterbehilfe bezeichnet. Ausrechtlicher Sicht liegt ein Behandlungsabbruch als passive Sterbehilfe immer dann vor, wenn eine medizinische Behandlung eines tödlichen Krankheitsverlaufs unter Inkaufnahme des dann ungehindert ablaufenden Sterbeprozesses unterlassen, begrenzt oder beendet wird. In der Praxis wäre hierfür zum Beispiel typisch das vorsätzliche Abschalten eines Beatmungsgeräts oder auch die Beendigung der Ernährung über eine Magensonde.

Neben dem klassischen Behandlungsabbruch gibt es auch noch die Möglichkeit der indirekten Sterbehilfe. Hierbei liegt der Unterschied darin, dass bei der indirekten Sterbehilfe der mögliche vorzeitige Todeseintritts des Patienten als Nebenfolge einer medizinisch indizierten palliativen Maßnahme in Kauf genommen wird.

Im Gegensatz zur aktiven Sterbehilfe kann die passive Sterbehilfe strafrechtlich gerechtfertigt sein. Dies ist in Praxis immer dann der Fall, wenn der Patient selbst mittels einer wirksamen Patientenverfügung nach §1901a BGB im konkreten Fall einen Behandlungsabbruch verfügt hat.

„Hilfe im Sterben“ ist keine Art der Sterbehilfe

Abschließend möchten wir noch auf den Begriff der „Hilfe im Sterben“ hinweisen. Hierbei handelt es sich aus rechtlicher Sicht um keine Art der grundsätzlich strafbaren Sterbehilfe. Hilfe im Sterben umfasst regelmäßig palliativ medizinischen Maßnahmen, durch die Schmerzen vermindert und der Sterbevorgang somit erleichtert werden. Im Gegensatz zur indirekten Sterbehilfe (s.o.) handelt es sich bei eben diesen palliativmedizinischen Maßnahmen um solche, die ein lebensverkürzendes Risiko explizit nicht auslösen. Somit werden hier dem Todkranken lediglich die Schmerzen genommen und so ein möglichst angenehmes Sterben zu einem unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft erleichtert.

Die rechtliche Situation bis 2019

Bei der Sterbehilfe, sei es nun aktiv oder passiv als Behandlungsabbruch, handelt es sich am Ende des Tages immer um die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen. Die Tötung eines anderen Menschen stellt dem strafrechtlichen Grundsatz nach erst einmal einen Totschlag gemäß §212 StGB dar – sei es nun durch aktives Tun oder im Fall des Behandlungsabbruchs durch Unterlassen. Ein Totschlag kann im schlimmsten Fall gemäß §212 II StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe nach sich ziehen.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass das deutsche Strafrecht keine speziellen Strafnormen für Sterbehilfeaktionen kennt. Nichtsdestotrotz kennt das Strafrecht die Privilegierung der Tötung auf Verlangen gemäß §216 StGB. Im Gegensatz zum Totschlag wird in diesem Fall der Täter durch den Getöteten ausdrücklich und ernstlich zur Tötung bestimmt. Folglich handelt der Täter nicht mehr aus eigenem Antrieb. Dies ist letztendlich auch Grundlage für einen vergleichsweise geringen Strafrahmen von nur sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Es lässt sich also festhalten, dass bis 2019 jede Person oder jedes Unternehmen, der/das einem Menschen beim Sterben durch eigenes Tun oder Unterlassen hilft, große Gefahr lief, sich wegen Totschlags bzw. der Tötung auf Verlangen strafbar zu machen.

Weiter stand seit 10.12.2015 mit §217 StGB die Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Demnach wurde jeder, der in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ziel dieses Gesetzes war es, „die Entwicklung der Beihilfe zum Suizid (assistierter Suizid) zu einem Dienstleistungsangebot der gesundheitlichen Versorgung zu verhindern. In Deutschland nehmen Fälle zu, in denen Vereine oder auch einschlägig bekannte Einzelpersonen die Beihilfe zum Suizid regelmäßig anbieten, beispielsweisedurch die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung eines tödlichen Medikamentes. Dadurch droht eine gesellschaftliche ‚Normalisierung‘, ein ‚Gewöhnungseffekt‘ an solch organisierte Formen des assistierten Suizids. Insbesondere alte und/oder kranke Menschen können sich dadurch zu einem assistierten Suizidverleiten lassen oder gar direkt oder indirekt gedrängt fühlen. Ohne die Verfügbarkeit solcher Angebote würden sie eine solche Entscheidung nicht erwägen, geschweige denn treffen […]“ (BT-Drucksache 18/5373).

Die rechtliche Situation ab 2020

An der oben beschriebenen Situation sollte sich jedoch im Jahr 2020 etwas ändern. Nicht geändert hat sich, dass das deutsche Rechtssystem darauf verzichtet, die eigenverantwortliche Selbsttötung unter Strafe zustellen, da sie sich nicht gegen einen anderen Menschen richtet und der freiheitliche Rechtsstaat keine allgemeine, erzwingbare Rechtspflicht zum Leben kennt. Jedoch wurde der im Jahr 2015 eingefügte Straftatbestand des §217 StGB gegen die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung zum Ausgangspunkt einer lang erwarteten Grundsatzentscheidung.

Die Ausgangslage

Unabhängig voneinander hatten nach der Einführung des §217StGB sechs verschiedene Beschwerdeführer im Jahr 2015 und 2016 gegen das neue Gesetz Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 I Nr. 4a GG am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Diese sind wie folgt:

  • Die beiden Beschwerdeführer zur Beschwerde mit dem Aktenzeichen 2 BvR 2347/15 sind Mitglieder eines so genannten Sterbehilfevereins, und möchten zu gegebener Zeit dessen Angebot einer Suizidhilfe in Anspruch nehmen.
  • Der Beschwerdeführer zur Beschwerde mit dem Aktenzeichen 2 BvR 651/16 ist ein in Deutschland eingetragener Verein, dessen satzungsgemäßer Zweck darin besteht, „das Recht auf Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug“ in Deutschland nach schweizerischem Vorbild zu verankern und seine Mitglieder bei der Durchsetzung dieses Rechts zu unterstützen.
  • Die beiden Beschwerdeführer zur Beschwerde mit dem Aktenzeichen 2 BvR 1261/6 sind zwei sogenannte Sterbehilfevereine mit Sitz in der Schweiz und in Deutschland und deren organschaftliche Vertreter und Mitarbeiter.
  • Der Beschwerdeführer zur Beschwerde mit dem Aktenzeichen 2 BvR 1593/16 ist Internist und betreut Patienten mit tödlich verlaufenden Erkrankungen. Er hat im Rahmen seiner ärztlichen Berufstätigkeit bereits mehrfach, aber stets unentgeltlich, Suizidhilfe geleistet, indem er Sterbewilligen eine letale Medikamentendosis bereitstellte. Zudem hat er Menschen beim freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit ärztlich begleitet.
  • Die Beschwerdeführer zur Beschwerde mit dem Aktenzeichen 2 BvR 2354/16 sind ebenfalls Ärzte. Sie sind sowohl in der stationären als auch der ambulanten Palliativversorgung tätig.
  • Zu den fünf Beschwerdeführern zur Beschwerde mit dem Aktenzeichen 2 BvR 2527/16 gehören unter anderem eine Ärztin und ein Rechtsanwalt. Letzterer hat sich auf dem Gebiet des Gesundheits- und Pflegerechts spezialisiert. Er beriet Mandanten in der Vergangenheit nicht nur zu rechtlichen Fragen der Sterbe- und Suizidhilfe, sondern begleitete wiederholt schwerkranke und nicht mehr allein reisefähige Personen in die Schweiz, damit diese dort unter Assistenz Suizid begehen konnten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte nun zu entscheiden, ob es ein grundrechtlich geschütztes Recht auf Suizid in Deutschland gibt. Außerdem war folgerichtig zu entscheiden, ob §217 StGB die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzt.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hatte somit ein wichtiges Grundsatzurteil für alle Menschen in Deutschland zu fällen. Hierfür hatte es sich viel Zeit gelassen und schlussendlich am 26.02.2020 wie folgt geurteilt [2]:

  1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbst bestimmtes Sterben.
  2. Das Recht auf selbst bestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zunehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
  3. Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zunehmen.
  4. Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassung wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in § 217 I StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
  5. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen.
  6. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der assistierten Selbsttötung sich in einem Spannungsfeld unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Schutzaspekte bewegt. Die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrecht desjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, tritt in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen.
  7. Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt.
  8. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 I StGB verengt die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibt.
  9. Niemand kann verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten.

Summa summarum ist also festzuhalten, dass § 217 StGB nicht mehr gilt, da diese vom BVerfG für nichtig erklärt worden ist. Weiter machte das Gericht deutlich, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf ein selbst bestimmtes Sterben gewährt und § 217 StGB in dieses Recht ohne ausreichende Rechtfertigung eingreift. Gleichzeitig stellten die Verfassungsrichterin Karlsruhe fest, dass durchaus eine Regulierung durch den deutschen Gesetzgeber erfolgen dürfe. Diese könnte etwa in prozeduralen Sicherungsmechanismen oder Aufklärungs- und Wartepflichten, in Erlaubnisvorbehalte, die die Zuverlässigkeit von Suizidhilfeangeboten sichern, liegen. Auch strafrechtliche Verbote seien grundsätzlich gesehen möglich, müssten jedoch im Einzelfall verhältnismäßig sein.

Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft

Seit dem 26.02.2020 hat sich auf gesetzlicher Ebene bisher nicht viel getan. Wo bei den Menschen anfangs noch Freude und Zuversicht hinsichtlich dieses Urteils herrschte, ist die Realität wieder eingekehrt.

Jedoch gibt es auch erste Bewegungen in Bezug auf die Sterbehilfe. So will die Bundesärztekammer das Berufsrecht für deutsche Ärzte entsprechend anpassen. Aktuell steht in §16 der Musterberufsordnung für Ärzte noch „Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“. Dies soll nun geändert werden. Möglich wäre es beispielsweise, diesen Satz für die Zukunft ersatzlos zu streichen.

Auch vom Deutschen Gesetzgeber kommen erste Signale in Bezug auf eine Neuregelung der Möglichkeit der Sterbehilfe in Deutschland. So gibt es bereits Entwürfe von gesetzlichen Neuregelungen. Einer davon unterscheidet grundlegend zwischen Menschen, die aufgrund einer Krankheit – die nicht notwendigerweise einen tödlichen Verlauf nehmen muss – sterben wollen und solchen, die aus anderen Beweggründen aus dem Leben scheiden möchten. Für kranke Menschen soll demnach der behandelnde Arzt tödlich wirkende Medikamente wie beispielsweise Natrium-Pentobarbital verschreiben können, soweit dieser von der Freiheit, Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Entschlusses des Patienten überzeugt ist. Die Verschreibung muss der Arzt zudem der zuständigen Landesbehörde anzeigen. Bei sonstigen Anträgen nicht-kranker Personen solle dem Entwurf nach direkt eine Landesbehörde entscheiden. [3]

Zusammenfassung

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2020 erstmals den Weg in eine legale Form der Sterbehilfe in Deutschland geebnet. Nun liegt es an den Ärzten und dem deutschen Gesetzgeber, dieses Grundrecht auf selbst bestimmtes Sterben auch endlich in Deutschland umzusetzen. Wie lange es bis dahin noch dauern wird, bleibt abzuwarten…

 

[1] hierzu zu empfehlen: https://www.aerzteblatt.de/archiv/203257/Sterbehilfe-Ein-Thema-mit-langer-Geschichte

[2] BVerfG, Urteil vom 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 ua

[3] siehe hierzu auch: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/sterbehilfe-neuregelung-gesetzentwuerfe-abgeordnete-aerzte-freier-wille-minderjaehrige-toedliche-medikamente-beratung/